- Maul- und Klauenseuche: Übertragung, Überträger, Verlauf und Eindämmung der Krankheit
- Maul- und Klauenseuche: Übertragung, Überträger, Verlauf und Eindämmung der KrankheitDie Maul- und Klauenseuche (abgekürzt: MKS, englisch: foot-and-mouth disease) ist seit langer Zeit bekannt. Diese Tierkrankheit befällt normalerweise nur Klauentiere = Paarzeher (Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und wild lebende Klauentiere wie Wildschweine, Hirsche und Rehe). Der Erreger ist das Maul- und Klauenseuchenvirus, von dem 12 Typen und über 60 Subtypen existieren. Die Übertragung erfolgt durch Kontakt mit kranken Tieren, infizierten Gegenständen und sogar durch die Luft. Die erkrankten Tiere zeigen Fieber, Futterverweigerung, Speichelfluss und die charakteristischen Blasen (Aphten) in der Mundhöhle und an Zitzen und Klauen. Die Mortalität liegt bei erwachsenen Tieren bei ca. 5 %, bei Kälbern und Lämmern aber bei bis zu 75 %. Die MKS ist auch auf den Menschen übertragbar (über Wunden und Milchkonsum), zeigt aber nur relativ milde Symptome und bereitet keine ernsthaften Probleme. Die bisher letzten Fälle der MKS wurden in Deutschland 1987 gemeldet. Die Krankheit ist meldepflichtig und das Vorgehen gegen die Krankheit in der »Verordnung zum Schutz gegen die MKS« vom 1. Februar 1994 geregelt.Der Verlauf der KrankheitDie Maul- und Klauenseuche (MKS, Aphtenseuche, Aphtae epizooticae, englisch: hoof and mouth desease, aphta: griechisch: Mundbläschen) ist eine Tierkrankheit, die nur in Ausnahmefällen auf den Menschen übertragen wird. Die MKS befällt, wie ihr Name verrät, hauptsächlich Klauentiere (auch Paarzeher genannt): Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und seltener wild lebende Klauentiere (Rot-, Reh-, Dam- und Schwarzwild). Andere Tiere und der Mensch können als Überträger fungieren, werden aber normalerweise nicht befallen. Der Erreger ist das MKS-Virus mit 12 Serotypen und über 60 Untertypen, welches zu den Picorna-Viren gehört. Die Infektion erfolgt durch direkten Kontakt mit dem Futter, der Milch, dem Kot und dem Speichel befallener Tiere, aber auch durch andere Wild- und Haustiere und den Menschen als Überträger oder über weitere Entfernungen durch den Wind. Die Eintrittspforte für das Virus ist meistens die Maulschleimhaut. Nach einer Inkubationszeit von ca. 2 bis 20 Tagen zeigen sich die Symptome der Krankheit. Zuerst bilden sich flüssigkeitsgefüllte (mit der Aphtenlymphe) Bläschen an der Infektionspforte (meistens das Maul), und die Tiere bekommen Fieber. Die Aphten sind der Grund für die typischen Schmatzgeräusche bei den befallenen Rindern. Später bilden sich weitere Aphten (Sekundäraphten) an den Bereichen der kutanen Schleimhaut des Verdauungstraktes und an den unbehaarten Stellen der Haut (Zitzen des Euters, Ballen, Zwischenklauenspalt etc.). Die Tiere zeigen in dieser Phase der Krankheit Störungen des Allgemeinbefindens (Lahmheit, Versiegen der Milch etc.) und verweigern die Nahrungsaufnahme. Ein bis drei Tage nach ihrer Ausbildung platzen die Aphten auf und setzen die hochinfektiöse Aphtenlymphe frei. Die Abheilung beginnt bei gutartigem Verlauf zwei bis drei Tage nach dem Platzen der Aphten und ist zwei bis drei Wochen später beendet. Danach haben die Tiere Immunität gegenüber dem Erreger erlangt. Bei erwachsenen Tieren endet die Krankheit zu 10 % bei den Rindern, zu 4 % bei den Schweinen und zu 5 % bei den Ziegen letal. Die Sterblichkeit bei den Jungtieren liegt erheblich höher (bis zu 75 %), durch die vom Erreger hervorgerufene Myokarditis (entzündliche Erkrankung des Herzmuskels) und Myositis (entzündliche Reaktion im Muskel). Als MKS-Folgekrankheiten treten Erkrankungen des Herzens auf, und ruhende Infektionskrankheiten, wie beispielweise Tuberkulose, brechen wieder aus. Zu den MKS-Nachkrankheiten gehören Panaritium (eitrige Entzündung der Klauen), Mastitiden (Entzündungen der Brustdrüsen) und dauernder Milchrückgang.MKS beim MenschenIn seltenen Fällen wird die Krankheit auch auf den Menschen übertragen (durch Viehpflege, Genuss infizierter Milch etc.). Zu dem typischen Krankheitsbild gehören in diesem Fall Stomatitis (Entzündung der Mundschleimhaut mit Bläschen, Aphten und Geschwüren), Zahnfleischauflockerung, Nagelbettentzündung, Blasenbildung an Fingerspitzen, Fingerzwischenräumen und Füßen sowie Fieber, insgesamt gesehen ist es aber keine ernsthafte Erkrankung.Das MKS-VirusDas MKS-Virus ist außer in Westeuropa, Australien, Neuseeland und Nord- und Mittelamerika weit verbreitet. Es gehört zur Familie der Picorna-Viren (Picornaviridae) und dort zur Gattung der Aphtoviren (Aphtovirus). Der Name Picorna setzt sich aus italienisch piccolo = klein und RNA (Ribonukleinsäure zusammen). Weitere Vertreter dieser Familie sind das Hepatitis-A-Virus, die Polioviren (Erreger der Poliomyelitis = Kinderlähmung) und die Rhinoviren (Erreger von Erkältungskrankheiten). Wie der Name bereits andeutet, ist das MKS-Virus mit einem Durchmesser von 23 bis 25 nm eines der kleinsten Viren überhaupt, und es enthält als Erbsubstanz RNA statt wie üblich DNA. Es ist aber kein Retrovirus, da es seine RNA nicht in DNA umschreibt. Ein RNA-Einzelstrang (mit 8 450 Basen) ist in einem Kapsid aus 60 Untereinheiten mit Ikosaedersymmetrie untergebracht. Das Kapsid besteht nur aus Proteinen und enthält keine Lipide, sodass das Virus gegen organische Lösungsmittel (Äthanol, Äther etc.) resistent ist. Die genomische RNA des MKS-Virus besitzt sense-Polarität, das bedeutet, dass sie wie eine mRNA des Wirtsorganismus aufgebaut ist. Sie trägt am 3«-Ende eine Polyadenylatsequenz (poly-A-Schwanz) mit einer durchschnittlichen Länge von 35 bis 100 Basen, genau wie eine eukaryontische mRNA. Am 5«-Ende ist ein Peptid (VPg genannt) kovalent an die virale RNA gebunden.Die Infektion auf molekularer EbeneNachdem das MKS-Virus an der Zellmembran angedockt hat, injiziert es seine RNA in das Cytoplasma der Zelle. Dort fungiert die virale RNA am zelleigenen Translationssystem als mRNA (messenger-RNA, Boten-RNA), das heißt, nach ihrem Bauplan wird nun ein Protein (mit einem Molekulargewicht von ca. 210 000) synthetisiert. Die virale RNA enthält nur den Bauplan für ein einziges Protein, sie ist »monocistronisch«. Dieses Protein besteht aus sämtlichen Virusproteinen am Stück, die nun in einem komplizierten Prozess zurechtgespalten (proteolytisch zerlegt) werden zu den Kapsidproteinen, einer RNA-Polymerase, Polymerasefaktoren, einer Protease und zu dem VPg-Protein. Die Synthese neuer viraler RNA beginnt danach mit der Bildung einer zur viralen sense-RNA (die Basenabfolge codiert die Aminosäureabfolge des Proteins in der richtigen Richtung) komplementären antisense-RNA. Diese wiederum dient als Matrize für viele weitere virale sense-RNA-Moleküle. Die neugebildeten sense-RNA-Moleküle dienen nun entweder als mRNA-Moleküle bei der Herstellung des Virusproteins, oder zur Herstellung neuer antisense-RNA-Matrizen, oder sie werden von Kapsidproteinen umhüllt und sind so zur Erbsubstanz neuer Viren geworden. Die Kapsidproteine (VP1, -2, -3 und -4 genannt), die bei der Spaltung des viralen Proteins entstanden sind, bilden zu je 60 Stück zusammen ein Kapsid. Das VP1 dient heute normalerweise als Impfstoff gegen MKS.Vorbeugende Maßnahmen und Impfungen1937 wurde der erste Impfstoff gegen MKS entwickelt und in der nachfolgenden Zeit vorbeugend als Schutzimpfung eingesetzt. Allerdings gibt es inzwischen 12 Stämme mit über 60 verschiedenen Subtypen des MKS-Virus, und jeder einzelne Stamm erfordert für eine vorbeugende Impfung einen eigenen Impfstoff. 1991 wurden die MKS-Schutzimpfungen in der Europäischen Union mit der Begründung eingestellt, es sei nicht sinnvoll, mit einem solchen Impfstoffcocktail zu arbeiten. Es gibt aber auch Stimmen, die die Einstellung der Schutzimpfungen auf handelsrechtliche Gründe zurückführen: Viele Staaten lassen Fleischimporte nur aus MKS-freien Ländern zu. Geimpfte Bestände sind aber per Definition nicht nachgewiesenermaßen MKS-frei.Ein Nachteil der Impfungen ist, dass sich im Blut des geimpften Tieres Antikörper gegen MKS bilden, genau wie im Blut eines infizierten Tieres, sodass man serologisch nicht zwischen einem geimpften gesunden und einem kranken Tier unterscheiden kann.Die gegenwärtige Praxis im Kampf gegen MKS sind einerseits strenge Maßnahmen zur Verhütung einer Einschleppung der Krankheit. In weiten Teilen Asiens und Afrikas tritt MKS häufig oder sogar flächendeckend auf. Durch den modernen Massentourismus kann so der Erreger eingeschleppt werden, ganz besonders über mitgebrachte Fleisch- und Milcherzeugnisse aus so beliebten Urlaubsländern wie der Türkei, Israel, Marokko und Tunesien. Falls die Krankheit andererseits doch in der EG ausgebrochen sein sollte (wie Anfang 2001 in Großbritannien), erfolgt die Massentötung jener Herden, in denen MKS aufgetreten ist. Das gesamte Erdreich, Stroh und alles, was mit dem Speichel und dem Blut der getöteten Tiere in Kontakt gekommen ist, wird abgetragen und entsorgt (meistens verbrannt). Als Notmaßnahme kommen auch Massenimpfungen in Frage (mit dem zum Erregerstamm passenden Impfstoff). Dabei wird in konzentrischen Kreisen um den Krankheitsherd von außen nach innen fortschreitend geimpft. Für akute Notfälle liegen in Deutschland für jeden der 12 Stämme 100 000 Dosen Impfstoff bereit und innerhalb von fünf Tagen lassen sich bis zu einer Million weiterer Dosen herstellen. Zur Desinfektion (Fahrzeuge, Schuhe etc.) dienen eine 1- bis 2 %ige Natronlauge (NaOH) oder eine 2 %ige Formalinlösung. Zusätzlich werden Transport- und Import-/Exportverbote für Klauentiere und Frischmilch erlassen und die grenzüberschreitende Mitnahme von Lebensmitteln aus Fleisch und Fleischprodukten untersagt.Lexikon der Veterinärmedizin, herausgegeben vonMaul- und Klauenseuche. Risiko u. tierärztliche Aufgabe. Eine Informationsschrift für Tierärzte, herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Bonn 1996.Olaf Sommerfeldt: Vakzination gegen Maul- u. Klauenseuche. Von der Entdeckung des Virus bis zum Verbot von Impfungen. Friedland 1998.
Universal-Lexikon. 2012.